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Lehrzeit in der Steinheimer Möbelfabrik

(1947-50) Oft war es damals so, dass die älteste Tochter einer kinderreichen Familie nach der Schulzeit daheim blieb und zu Hause mithalf. Sie ging später höchstens in die Fremde, um den Haushalt zu erlernen, vorzugsweise nach Düsseldorf. Mir blieb dieses Schicksal erspart, obwohl ich die älteste Tochter war. Als ich 1947 aus der Schule kam, war Vater noch in französischer Kriegsgefangenschaft. Daher entschied meine Mutter alleine, dass ich ins Büro gehen sollte.

In der GmbH ergatterte ich eine Lehrstelle. Bald gab es wieder regelmäßigen Berufsschulunterricht und nach drei Jahren hatte ich einen richtigen Beruf. Ich war gelernter Industriekauf `mann`. Nachzulesen in einer vergilbten Urkunde der Industrie- und Handelskammer zu Paderborn aus dem Jahre 1950. Eine Tatsache, die es wert gewesen wäre, auf edlem Büttenpapier gedruckt zu werden, wenn man bedenkt, dass ich das einzige Mädchen unter 21 Prüflingen war und Frauen auch damals schon nicht so gut sein durften wie Männer. Aber Büttenpapier gab es in der Nachkriegszeit nicht.

Am Tag nach der Prüfung passierte in der GmbH etwas noch nie Dagewesenes. Nachmittags kam die Frau unseres Chefs ins Büro, legte eine weiße Damastdecke über zwei Schreibtische und stellte einen selbstgebackenen Napfkuchen auf den Tisch. Kaffee und Kuchen während der Arbeitszeit! „Als Belohnung für deine sehr gute Prüfung“ knurrte der Chef. Es blieb das einzige Lob, das ich je von ihm hörte. Nach dem Kaffeetrinken bekam ich frei und durfte am hellichten Tag nach Hause gehen. Nicht einmal die Büroräume brauchte ich nach Feierabend zu putzen, das war von jetzt an Aufgabe des neuen Stifts. Ich war nun kein Lehrling mehr, sondern Stenotypistin in der Steinheimer Möbelfabrik GmbH und blieb es für einige Jahre. Und dass ich heut noch an jeder Schreinerei stehen bleibe und mit großem Vergnügen den Duft frischen Holzes einatme, hängt sicher mit dieser Möbelfabrik zusammen.

(aus dem Buch "Vierzehnmorgen ... und andere Geschichten", von Margret Bonné, Ahaus-Verlag 2002, S.40/41)

Autor: Margret Bonné, 09.03.2018 
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