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Die Ostwestfälisch - Lippische Möbelindustrie

Wo gehobelt wird...

Unter diesem Titel zeigt das Möbelmuseum Steinheim heute eine Fotoausstellung besonderer Art. Ab 1860 stellte die Firma Poggenpohl in Herford als erste Möbel in Serienfertigung her, und wurde so die älteste Möbelfabrik Deutschlands. Die Firma Bartels in Langenberg war später zeitweise mit 2.000 Mitarbeitern die größte Möbelfabrik Deutschlands. Zusammen mit fast 150 weiteren Betrieben wurde OWL das größte Möbelzentrum Europas.

Steinheim nahm in diesem Reigen eine Sonderrolle ein. Aus Gründen auf die ich an dieser Stelle nicht eingehen kann wurde unsere Stadt das Zentrum der Kunstmöbelherstellung und zum Begriff für hochwertige Qualitätsmöbel in anspruchsvoller Handarbeit. In der Blütezeit war im Raum Herford – und damit auch in Steinheim – jeder dritte Arbeitsplatz holzbezogen. Eine der zuvor wirtschaftlich schwächsten Regionen in Westdeutschland erlebte ihre große Blütezeit.

Das alles ist Geschichte.

Ja, aber nicht Geschichte von einstmals, von früher, von irgendwann. Es ist weitgehend unsere eigene Geschichte, wie wir sie miterlebt haben. Die Älteren wissen noch wie nach dem Zweiten Weltkrieg zahlreiche neue Werkstätten in Steinheim entstanden – wie die bestehenden Fabriken erweitert wurden oder in Neubauten umzogen, wie bei uns das erste spezielle Industriegelände im Kreis Höxter entstand. Und wir alle haben miterlebt wie all das in den letzten Jahren zunichte wurde, wie ein Werk nach dem anderen aufgeben musste.

Als die „Museumsinitiative OWL“, der Zusammenschluss aller Museen im Regierungsbezirk Detmold, das Jahr 2012 zum Themenjahr „Holz – astrein“ wählte, beteiligten sich daran neben dem Möbelmuseum Steinheim über 40 andere Häuser. Mit dabei war auch das Ziegeleimuseum in Lage mit einer Fotoausstellung über diese Möbelregion. Als Landesmuseum war das ebenso logisch wie schwierig. Im Vorfeld der Ausstellung erreichte uns ein Hilferuf der Sachbearbeiterin in Dortmund: „Wir benötigen hier dringend Fotos über die Möbelherstellung und die Arbeit in den Möbelfabriken“!

Das Problem kannte ich. Seit 40 Jahren suchte ich solche Bilder und wusste wie rar sie sind. Und wenn man welche findet, sind es fast immer Amateuraufnah- men im Kleinformat, schlecht belichtet und mehr oder weniger verblichen und angenagt. Das war keine Steinheimer Besonderheit. Fotos macht man von Hochzeiten und Familienfeiern, von Kindern die heranwachsen – und in nahezu allen alten Familienalben finden sie sich aus der Militärzeit, sowohl im Krieg wie im Frieden. Aber Fotos von Papa bei der Arbeit? Fehlanzeige! Warum auch? Solche Fotos kann man immer noch machen, auch nach Jahrzehnten.
So dachte man, wenn man überhaupt daran dachte.

Das alles wurde mir bewusst, aber wir konnten helfen. Als die Dame vom Westfälischen Museumsamt in Dortmund sich voller Begeisterung für unsere Hilfe bedankte, haben auch wir uns gefreut. Es hatte sich ausgezahlt, dass ich mich seit 40 Jahren für solche Fotos interessierte, und dass wir in Steinheim ein Möbelmuseum haben, wo solche scheinbaren Nebendinge ein Zuhause finden.

So bildeten die von Fachleuten großformatig aufgearbeiteten Steinheimer Aufnahmen über die Hälfte der gesamten Ausstellung im Ziegeleimuseum. Neben den imposanten Bildern der lippischen Industriewerke zeigen unsere Steinheimer Aufnahmen die Männer bei der Arbeit. Dadurch entstand in der Landesausstellung ein abgerundetes Bild der heimischen Möbelindustrie.

Unser Dank gilt Herrn Brunnert, dem Leiter des Ziegeleimuseums, dass er uns
nicht nur die Ausstellung ausgeliehen, sondern auch den Transport organisiert hat, damit wir sie uns heute und in den nächsten Wochen in Ruhe ansehen können. Und dass auch die Jüngeren bei uns erfahren können, was das eigentlich ist – oder war, die Ostwestfälisch-Lippische Möbelindustrie, die so lange das wirtschaftliche Rückgrat unserer Region war.

(Rede zur Eröffnung der Ausstellung „Wo gehobelt wird ...“ am 7. Juli 2013 im Möbelmuseum Steinheim.)

Autor: Johannes Waldhoff, 09.03.2018 
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