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Judenfriedhof

Kurzbeschreibung

Der Friedhof wird 1600 erstmals in den Akten erwähnt und wurde seitdem durchgehend belegt. Die letzte Bestattung fand am 3.August 1979 statt. Damit ist dieser Friedhof der älteste durchgehend belegte jüdische Begräbnisplatz in Westfalen.

Das Friedhofsgelände gehörte stets der Stadt und war der jüdischen Gemeinde für eine Abgabe von zwei Talern jährlich überlassen. 1850 hat diese den Platz gekauft und den Friedhof 1853 von Grund auf umgestaltet. Die rechts von Weg liegende Fläche wurde abgesenkt und mit dem anfallenden Erdreich das linksseitige alte Gräberfeld mit den Grabsteinen überwölbt, so dass beiderseits neue Grabfelder entstanden.

Der älteste Grabstein stammt aus dem Jahre 1846. Der Friedhof wird heute von der Stadt Steinheim gepflegt.

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Wir befinden uns auf dem jüdischen Friedhof der Stadt Steinheim, eine Oase der Ruhe mitten im Verkehrsgetümmel. 1606 wird er zum ersten Mal erwähnt, als Begräbnisstätte der Juden, weit außerhalb der Stadt. Das war überall üblich und in beiderseitigem Interesse. Denn die Christen wollten die Juden nicht im Schatten ihrer Kirche begraben und die Juden wollten nicht gerne dort begraben sein. So hatten sie überall ihre eigenen Begräbnisplätze.

Dieser Platz wurde 1853 völlig umgestaltet. Bis dahin war er eine Hügellandschaft, nach rechts ziehend stieg er an. 1853 hat man dann das Erdreich auf dieser Seite abgegraben und hier einen künstlichen Hügel geschaffen. Der Grund liegt im jüdischen Brauchtum. Ein jüdisches Grab hat ewiges Ruherecht, darf nie mehr gestört werden und kein jüdisches Grab ohne Stein. Also hat man den vorhandenen Friedhof, der zu klein geworden war, wie ich schon sagte, überhügelt. Unter dieser Grabfläche liegt der alte Friedhof mit seinen Grabsteinen.

Ein jüdisches Grab hat ewiges Ruherecht. Das sahen die braunen Machthaber nach 1933 nicht ein. Auch der Steinheimer Friedhof wurde in der Nacht vom 17. zum 18. Oktober 1940 heimgesucht, zahlreiche Namenplatten auf den Grabsteinen wurden zerschlagen und der vordere Teil hier wurde als Lagerplatz für überflüssige Landmaschinen genutzt.

Heute ist der Friedhof unter Denkmalschutz in der Obhut der Stadt Steinheim, die ihn pflegt und die ihn instand hält, sodass die Besucher die aus Übersee kommen, um hier die Gräber ihrer Vorfahren zu besuchen, durchaus angetan sind von der Schönheit und von der Ruhe und von der Eigenheit dieser jüdischen Begräbnisstätte.

Die Juden spielten die Steinheim immer eine große Rolle. Beispielsweise erreichten sie um 1850 ihre größte Einwohnerzahl. Über 150 jüdische Bürger zählte Steinheim damals, demgegenüber weniger als 50 evangelische Christen. Die bisher letzte Beisetzung fand 1979 statt, als Sophie Weil drüben begraben wurde. Der Friedhof wurde danach nicht geschlossen. Er ist heute noch geöffnet, aber in Steinheim gibt es keine jüdischen Bürger mehr. Sollten welche dazu ziehen können sie jederzeit hier auf dem uralten jüdischen Friedhof begraben werden.

Den Grabstein der Sophie Weil wollen wir uns jetzt noch einmal ansehen. Er erzählt seine eigene Geschichte.

Die Familie Weil war eine der bekanntesten jüdischen Familien in Steinheim, sie betrieb hier eine Getreidehandlung. Sophie Weil entging der Deportation, weil sie von katholischen Nonnen in ihrem Kloster versteckt wurde. Karl Weil hatte nicht so viel Glück, er wurde in Auschwitz ermordet und Herbert Weil, der Sohn, war bereits im Zug um nach Auschwitz abtransportiert zu werden. Da gelangt es den Lyoner Erzbischof bei den französischen Behörden zu erreichen, dass 100 Kinder unter 14 Jahren aus dem Transport herausgeholt wurden und in Frankreich verblieben. Herbert Weil war zwar 15, aber klein gewachsen und deshalb wurde sein Pass vernichtet und er als 14 jähriger in die Pyrenäen geschickt auf einen Einöd Bauernhof, wo er dort das Vieh hütete.

Nach dem Krieg kamen Herbert Weil und seine Mutter nach Steinheim zurück. Sie zog später nach Bad Meinberg, der Sohn Herbert wanderte nach Amerika aus, ist vor einigen Jahren da im Alter von 83 oder 84 Jahren gestorben. In den Jahren zuvor hat er regelmäßig die Stadt Steinheim besucht, weil er hier noch alte Freunde hatte: Heinz Gelhaus, Hermann Pott, Johannes Schmitz, mit denen er hier ständig in Kontakt stand und mit denen er sich in Steinheim dann auch wohl fühlte.

Dieses ist der Grabstein von Julius Weil, der Schwiegervater von Sophie Weil. Er war der erste jüdische Offizier nach der Gründung der Steinheimer Bürgerschützenverein. Er war Hauptmann der zweiten Kompanie und er war im Jahr 1900 der erste jüdische Schützenkönig hier in Steinheim, der als Jude dieses Amt übernahm. Seine Frau Ida Weil, aus Nieheim kommend, hat ihn um Jahrzehnte überlebt, bis sie dann 1942 verhaftet und deportiert wurde. In Auschwitz ist sie im Alter von knapp 80 Jahren, als älteste Steinheimer Jüdin, dann ermordet worden. Ein Schicksal wie es auch Grabsteine erzählen können und dass uns zum Nachdenken auch in heutiger Zeit anregen sollte.

Bilder  📷

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