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Frühe "Steinheimer" siedelten auf dem Holmberg

Am 30. Dezember 1974 rief mich der damalige Stadtheimatpfleger Josef Menze an. Der Student Hans-Georg Stephan aus Höxter wollte für seine Doktorarbeit in unserer Feldmark nach Wüstungen, also untergegangenen Dörfern, suchen. Menze war zugezogen und kannte die Flurbezeichnungen nicht, so bat er mich um Hilfe.

Stephan konnte sie dann alle lokalisieren: Schune und Hoyenhusen, Lütken-Steinheim und Grotenfriesenhusen. Wir beiden halfen ihm nach Kräften beim Aufsammeln der hochgepflügten Keramik-Scherben die es Stephan ermöglichten zu Hause in Ruhe Form und Alter der Gefäße zu bestimmen und so Aussagen über die betreffenden Wüstungen zu machen.

Als alles erledigt war und es schon leicht dämmerig wurde, bat ich Stephan, mit zum Holmberg zu kommen. Dort sollte früher das Schloss der Herren zu Holmberg gestanden haben, was allerdings in alten Aufzeichnungen nur einmal erwähnt wird.

Auf der Höhe angekommen blickte Stephan sich nur einmal um. „Völlig ausgeschlossen“ war sein Urteil. Dann bückte er sich, hob einen kleinen Stein auf und meinte: Die hier, um die sollten Sie sich kümmern, für die war der Platz ideal“. „Die“, das waren Steinzeitmenschen. Es war ein Stückchen Flintstein das er in Händen hielt. Es war ortsfremd, wie er mir erklärte, und kommt auf natürlichem Weg hier nicht vor. Es war von Menschen hierher gebracht worden.

Zwei Tage später, Neujahr 1975, ging ich nach dem Mittagessen zum Holmberg und fand 16 weitere Flintstücke, die beim Westfälischen Museum für Archäologie in Bielefeld erhebliche Begeisterung auslösten. „Bitte weitersuchen und regelmäßig das Gebiet kontrollieren“ war die Bitte von Dr. Klaus Günther, dem zuständigen Referatsleiter.

Im Lauf der nächsten 38 Jahre sammelte ich, teils zusammen mit meinem Bruder August Waldhoff und meinem Sohn Stephan, wohl 8.000 Flintstücke auf, zumeist Werkabfall. Aber auch 1.294 Werkzeuge und Geräte, die deutlich als von Menschenhand bearbeitet zu erkennen sind, waren dabei.

Der aufregendste Fund gelang mir im November 1990. Bei schneidend kaltem Wind fand ich die vom Pflug frisch abgebrochene Spitze eines Faustkeils oder Faustkeilblattes aus schwarzem Kieselschiefer, das für den Neandertaler so typische Steingerät. Leider steckt der untere, für die endgültige Bestimmung notwendige Teil noch heute im Boden. Aber die Retusche der Spitze lässt eine eindeutige Zuordnung an das Ende der klassischen Neandertaler-Zeit vor 40.000 zu. 1990 war es der älteste Fund im Weserbergland!

Mehrere weitere Geräte wurden von Dr. Adrian, dem „Altsteinzeit-Papst“ aus Bielefeld, dieser Epoche der mittleren Altsteinzeit zugeordnet, die als Oberflächenfunde aber nur mit großer Vorsicht bestimmt werden können. Doch als ein paar Jahre später Martin Stamm aus Nieheim ein Stück emmeraufwärts am Wellenholz ein Keilmesser fand, ebenfalls aus schwarzem Kieselschiefer gearbeitet, konnte es eindeutig in die Frühzeit des klassischen Neandertalers um 60.000 v. Chr. datiert werden. Beide Geräte sind die frühesten Siedlungsspuren des steinzeitlichen Menschen im Steinheimer Becken.

Aber der Holmberg hielt noch mehr Überraschungen bereit. Schon recht früh fand ich ein Rückenmesserchen, und im Lauf der Zeit über vierzig Mikrowerkzeuge, die eindeutig der „Federmesser-Kultur“ zugeordnet werden können. Diese Menschen lebten auf dem Holmberg am Ende der letzten Eiszeit vor 14 bis 12.000 Jahren. Ihre Wohnplätze sind in OWL sehr selten.

Die darauf folgende mittlere Steinzeit, das Mesolithikum, war nur mit einem Fund eindeutig vertreten. Allerdings ist die Abgrenzung zur folgenden Jungsteinzeit bei Oberflächenfunden sehr schwierig.

Als zum Beginn der Jungsteinzeit um 6.000 v.Chr. die wohl größte kulturelle Umwälzung der Menschheitsgeschichte stattfand und aus Jägern Viehzüchter und aus Sammlern Bauern wurden, stellten sie asymmetrische Werkzeuge aus Felsgestein her. Querhacken oder Schuhleistenkeile, die typisch für diese Zeit sind, sowie Keramikgefäße mit Bänderverzierung, die den „Bandkeramikern“ ihren Namen gaben. Beides wurde auf dem Holmberg selbst nicht gefunden.

In der fruchtbaren Steinheimer Börde, wo man solche Funde als selbstverständlich erwarten würde, wurde bisher nur ein Schuhleistenkeil bekannt, den Alfons Waldhoff auf seinem Acker am Stoppelberg fand. Dafür konnten aber auf dem Holmberg alle anderen denkbaren jungsteinzeitlichen Kulturen nachgewiesen werden, die Rössener-, die Michelsberger, die Wartburger-Kultur und wie sie heißen, bis hin zu Keramik mit Randglattstrich, die der vorrömischen Eisenzeit zuzuordnen ist.

Der Holmberg gehört zur Gemarkung des Dorfes Rolfzen, deshalb wurden alle Funde mit der Fundbezeichnung „R1“ = Fundgebiet Rolfzen 1, bezeichnet und mit einer laufenden Nummer versehen. Der ganze Holmberg führt beim Westfälischen Museum für Archäologie, Außenstelle Bielefeld, die Bezeichnung 4021 DKZ 37. Das bedeutet: Messtischblatt 4021 = Nieheim-Steinheim, Detmolder Kennzeichen Nr. 37.

Bis zur Entdeckung der steinzeitlichen Siedlung auf dem Holmberg waren also im gesamten Raum der Steinheimer Börde nur 36 vorgeschichtliche Funde registriert worden.

Im Lauf der vergangenen 50.000 Jahre haben auf dem Holmberg, vermutlich mit oft großen Unterbrechungen, immer wieder Menschen der verschiedensten Kulturgruppen an gleicher Stelle gelebt und ihre Spuren hinterlassen.

Autor: Johannes Waldhoff, 10.12.2013 
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