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Quellen der Stadtgeschichte: Das Kopialbuch und die Annotationsbücher

Anton Gemmeke wurde am 24. September 1859 in Ottenhausen geboren und 1883 in Eichstätt zum Priester geweiht. Nach einigen Jahren als Kaplan in Borgentreich und Borgholz wurde er 1894 Pfarrer der katholischen Gemeinde in Lemgo. Als Bischof Simar von Paderborn 1896 die Geistlichen seines Bistums aufforderte die Geschichte ihrer Pfarreien und Dekanate aufzuschreiben, widmete sich Gemmeke intensiv nicht nur der Geschichte seiner eigenen Gemeinde, sondern darüber hinaus sämtlicher katholischen Pfarreien in Lippe.

1905 erschien sein Werk unter dem Titel „Geschichte der katholischen Pfarreien in Lippe“ mit über 400 Seiten. Obwohl das Thema in den letzten Jahrzehnten von mindestens drei Autoren neu, in erweiterter Form und aktualisiert bearbeitet und veröffentlicht wurde, blieb Gemmekes Buch bis heute das Standardwerk.

1905 wurde er als Pfarrer an das adelige Damenstift Neuenheerse berufen. Dort setzte er seine geschichtliche Forschungsarbeit fort, die ihn bis an sein Lebensende begleitete. Nach dem Tode seines Steinheimer Amtsbruders Franz Xaver Schrader führte er dessen Arbeit an dem großen Standardwerk „Die Bau- und Kunstdenkmäler Westfalens“ fort und schrieb für den Teilband Kreis Höxter die restlichen einführenden Ortsgeschichten. 1914 wurde dieser Band von Heinrich Ludorff herausgegeben, er ist für alle Geschichts- und Heimatfreunde unverzichtbar.

Neben zahlreichen kleineren geschichtlichen Aufsätzen widmete er sich dann jahrzehntelang der Geschichte des adeligen Damenstifts Neuenheere, des ältesten seiner Art in Westfalen. 1931 erschien das Werk mit weit über 700 Seiten als Prachtausgabe. Er finanzierte es, indem er seine gesamten Ersparnisse in Höhe von über 10.000 Mark dafür opferte. In Neuenheerse machte er jeder Familie seiner Pfarrei ein Exemplar zum Geschenk.

Als Anton Gemmeke am 4. September 1938 starb, widmete ihm die „Westfälische Zeitschrift“ als einem der bedeutendsten Geschichtsforscher Westfalens einen ehrenden Nachruf. Eine hohe und seltene Ehre!
Welche Bedeutung hatte er für uns in Steinheim? Für seine geschichtlichen Arbeiten forschte er in vielen Archiven West- und Mitteldeutschlands. Neben dem jeweils aktuellen Thema hatte er dabei stets seine Heimat Steinheim/Ottenhausen im Blick. Alles was er in den verschiedenen Aktenbänden dazu fand schrieb er sorgfältig ab.

Als er dann später einsehen musste, dass ihm zur Ausarbeitung die Zeit fehlen würde, bot er die fast tausend handgeschriebene Seiten umfassende Sammlung der Stadt Steinheim an. Er hatte eine Bitte. Die jahrzehntelange Archivarbeit hatte nicht nur viel Zeit, sondern auch Geld gekostet, für Bahnfahrten und für Hotelaufenthalte. Deshalb bat er um eine Kostenerstattung von 200 Mark.

Bürgermeister Heinrich Busse hatte für derlei scheinbare „Nebensächlichkeiten“ kein Verständnis und lehnte die Bitte rundweg ab. Daraufhin schenkte Gemmeke seine Sammlung der Stadt Steinheim – und seitdem war sie verschollen! Erst Ende der sechziger Jahre fand Heinz Gellhaus sie in einer Mauernische auf dem Dachboden des Rathauses. Er fertigte eine Sicherheitskopie an und ließ Sammlung und Kopie fest einbinden, so dass sie der Heimatforschung heute zur Verfügung stehen.

Weniger Glück hatten die Ottenhausener. Im Nachruf von 1938 heißt es dazu: „Weiter fanden sich im Nachlaß umfängliche Sammlungen und Ausarbeitungen zur Geschichte des Dorfes Ottenhausen und der Stadt Steinheim. Jene hat der Verewigte seiner Heimatgemeinde Ottenhausen, diese der Stadt Steinheim vermacht“.

Gemmeke hatte im Dorf Familie für Familie aufgesucht und nach alten Akten, Urkunden und Fotos geforscht. In mehrere Kisten verpackt wurde alles mit dem Pferdewagen nach Neuenheerse transportiert und ist seitdem verschollen. Als Nachlass Gemmeke sind heute im Diözesanarchiv in Paderborn zwar 1,2 Regalmeter Akten vorhanden, zumeist Vorarbeiten für seine früheren Veröffentlichungen. Der Ottenhausener Bestand ist nicht darunter.

Noch etwas Erfreuliches. Der aus Ottenhausen stammende Pastor Wiedeking in Fretter/Sauerland hatte das Roh-Manuskript von Gemmeke ausgeliehen und die wichtigsten Teile daraus mit der Schreibmaschine abgetippt. So sind wertvolle Teile aus Gemmekes Arbeit über sein Heimatdorf doch noch erhalten geblieben. Vieles in der lokalen Geschichtsschreibung Steinheims wäre in den letzten Jahrzehnten nicht möglich gewesen ohne den wertvollen und umfangreichen Bestand der Sammlung Gemmeke.

Autor: Johannes Waldhoff, 18.11.2013 
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