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kath. Pfarrkirche  - Entstehung Sakramentshäuschen und der Hochaltar

Kurzbeschreibung

Als Nachfolgerin einer steinernen Saalkirche des 10. Jahrhunderts wurde die Kirche in der Mitte des 12. Jahrhunderts als kreuzschiffige Basilika errichtet. In mehreren Bauperioden wurde sie zur Hallenkirche erweitert. Die letzte Erweiterung war das Westjoch des nördlichen Seitenschiffes 1877.

Vom romanischen Bau sind noch Teile der Chorwände, das Querhaus und die beiden Säulenportale (teilweise ergänzt) mit dem thronenden Christus und drei Standkreuzen im Tympanon erhalten, ebenso die unteren Geschosse des Turms, dessen obere Teile von 1898 stammen.

Von der Ausstattung sind vor allem das gotische steinerne Sakramentshaus im Chor, sowie die Reliefbilder des holzgeschnitzten Hochaltars aus der Zeit um 1500 bemerkenswert.

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Die Pfarrkirche St. Marien, in der wir uns hier befinden, ist der gewachsene Mittelpunkt der Stadt Steinheim. Seit 1200 Jahren wird hier Gottesdienst gehalten, wird hier das heilige Messopfer dargebracht. Seit 1200 Jahren wurden hier die Steinheimer getauft, hier gingen sie zur heiligen Kommunion, hier heirateten sie und von hier aus wurden sie begraben.

Steinheim war, als Karl der Große das Sachsenland erobert hatte, eine der Missionsstationen. Das heißt, vermutlich wurde hierzu noch zu seinen Lebzeiten eine hölzerne Missionskirche gegründet. Diese Kirche ist heute nicht nachzuweisen. Ergraben ist die erste steinerne Kirche, die im 10. Jahrhundert entstand, als eine einfache schlichte Saalkirche, die hier zwischen den Pfeilern und bis etwa hierhin reichte. Vorgelagert war der westfälische Turm mit aufgesattelten Dach.

Diese steinerne Saalkirche wurde im Lauf der Zeit zu klein. Die Gemeinde wuchs und so wurde sie nach den Seiten hin und in der Höhe erweitert. Ursprünglich eine kreuzschiffige Basilika, ein Langschiff, ein Querschiff oben, mit kleinen Abseiten, wurde sie allmählich zu einer Hallenkirche ausgebaut, wie wir sie heute kennen. Das letzte Stück Ausbau war das nordöstliche Fach, geschah erst 1877 zu einer Zeit, in der man schon lange überlegte dieses Kirchenschiff abzubrechen, weil die Gewölbe zu schwer waren und das Mauerwerk nach außen hin verdrückt hatten. Gott sei Dank hat man diese Pläne fallen gelassen. Mit der heutigen Technik wurde dieses Kirche von oben her in ein Stahlskelett eingerüstet, quer verspannt und so wird sie hoffentlich noch vielen Generationen hier an dieser Stelle als Gotteshaus dienen.

Das wichtigste Kunstwerk ist, der holz geschnitzte Hochaltar, den wir uns mal von nahen ansehen können. Denn auch er hat eine sehr starke Aussagekraft. 

Die ursprünglich romanische Basilika wurde 1481 durch ein hochgotisches Hochchor ergänzt. Zeitgleich baute man in diesem Chorraum das neue Sakramentshaus ein, im damals üblichen Stil, fast neun Meter hoch.
In seinem Aufbau zeigte es wesentliche theologische Aussagen: im unteren Bereich die biblische Szene aus dem Paradies, mittig der Baum mit der Schlange, links und rechts Adam und Eva, die man im 19. Jahrhundert leider entfernt hat, weil sie nackt waren. Darauf ein Ensemble von Heiligen, in der Mitte der thronende Christus, als Weltenrichter, und auslaufend dann das ganze in eine Bekrönung, ein Pelikan auf seinem Nest, füttert seine hungernden Jungen, indem er sich seine Brust aufreißt. Ein Christussymbol, dass durch die Jahrhunderte Gültigkeit hatte.

Das bedeutendste Kunstwerk der ganzen Gegend ist unser holz geschnitzter Hochaltar. Diese Altäre kamen kurz nach 1400 in Mode, erlebten 100 Jahre später ihre große Blütezeit, weil sie den Lehrern, den Pastören Hilfe leisteten, das Heilsgeschehen, das in der Bibel festgehalten ist, den Kindern und auch den Erwachsenen zu vermitteln. Sie erzählen die Heilsgeschichte Jesu wie man ein Buch liest, von oben links der Einzug in Jerusalem, das letzte Abendmahl, die Fußwaschung Jesu. Es geht drüben weiter: Jesus schwitzt Blut am Ölberg, die Gefangennahme, der Verrat des Judas. Mittelpunkt des Ganzen ist die Sterbeszene Christi auf Golgatha. Diese Szene birgt biblische Aussagen, die uns heute verloren gegangen sind, die unseren Vorfahren aber noch präsent waren.

Ich möchte Ihnen das an einem Beispiel erklären. Das Mittelfeld zeigt, wie gesagt, den Tod Christi auf Golgatha. Jesus ist soeben verstorben. Mit der Lanze hat der Hauptmann die Seite geöffnet. Links und rechts vom sterbenden Christus sieht man zwei Engel und auch zu Füßen ein dritter Engel. In kelchartigen Gefäßen fangen sie das Blut, das von Christus ausgeht, auf und reichen es im Grunde weiter.

Links und rechts von Christus sehen wir die beiden Schächer, die gleichzeitig mit ihm gekreuzigt wurden. Der linke Schächer, von hier aus gesehen, hat oben in der Ecke einen Engel. In der Hand hält er eine kleine Puppe. Sie symbolisiert die Seele dieses Verurteilten, getreu dem Bibelwort "Noch heute wirst du mit mir im Paradies sein", trägt sie diese Seele zum Himmel. Auf der anderen Seite das Gegenstück: Der Engel, der das Blut auf Christi aufhängt, wendet sich bedauernd ab. Der Schächer will nicht am Heilsgeschehen teilnehmen. Rechts oben ist ein roter Drachen, der Teufel. In den Händen hält der ebenfalls die Seele dieses Schächers und er wird sie mitnehmen in sein Reich der Tiefe, in sein Reich der Finsternis. Unten links und rechts die Szene der Frauen und die der Soldaten, die um das Gewand Christi würfeln und darüber in Streit geraten.
Am Fuß des Kreuzes Maria Magdalena, die ebenfalls bedauernd die Hand an den Kopf legt.

Insgesamt entstanden in diesem Jahrhundert etwa 2000 holzgeschnitzte Altäre in Deutschland, denn die Altarholzschnitzkunst ist eine deutsche Kunst. Als dann die Reformation kam, verloren sie ihre Bedeutung, weil mit der Reformation auch die Luther-Bibel kam, die stets illustriert war und das was wir heute hier vor uns sehen war dann in der neuen Bibel abgebildet und konnte in den Familien betrachtet werden.

Die Altäre in den Kirchen wurden nach der neuen Auffassung überflüssig. Sie wurden entweder verkauft, abgebaut, verbrannt oder wie in Steinheim einfach zugenagelt. Es ist ein Flügelaltar, das heißt man kann die beiden Seitenflügel schließen. Für den Werktagsgebrauch zieren zwei Tafelgemälde die Vorderseiten und man kann ihn zu festlichen Anlässen und zu Feiertagen öffnen.

Im Altar und vor allem Dingen den Bildgruppen ist diese Schließung nicht gut bekommen. Er war in der Folgezeit von Schädlingen befallen. Erst 1914 hat man einen Notaltar, in dem man die Reliefs Brief notdürftig untergebracht waren, neu aufgebaut, nach dem Vorbild eines Marienaltars in Prenzlau in der Uckermark. Dieser neu aufgebaute und in Wiedenbrück geschaffene Altar zeigt unten in der Predella die Propheten. Auf die Propheten aufgebaut ist dann das Heilsgeschehen und oben endet das ganze in der Patronin dieser Kirche, Maria Himmelfahrt, links und rechts begleitet von zwei musizierenden Engeln.

Weil durch den Holzwurmbefall die Reliefs so sehr gelitten hatten, dass sie ohne sichtbare Spuren nicht zu reparieren waren, hat man dann 1914 einen Kompromiss gewählt. Man hat diesen Altar teilweise vergoldet. Was überhaupt nicht üblich war und damit eben diese Schäden verdeckt.

Wer den Altar geschaffen hat, wo er geschaffen ist, wissen wir nicht. Es gab damals berühmte Altarschnitzschulen in Kalkar, wohl die bekannteste in Soest. Von Soest aus ausstrahlend nach Lübeck. In diese Kategorie passt der Steinheimer Altar nicht. Er wurde von einem weniger begabten Künstler geschaffen, möglicherweise im Kloster Marienmünster, dem Steinheim damals angehörte. Denn viele der Figuren, die hier abgebildet sind stimmen in ihrer Anatomie nicht. Aber dieser Altar hat etwas, was ganz selten vorkommt. Er geht über die Kreuzigung Christi hinaus in drei weitere Stationen: Unten rechts die Grablegung Christi, seine Höllenfahrt und die Auferstehung am Ostermorgen. Das ist ein Bildprogramm, wie es in anderen Altären nur sehr selten kommt.

Wir können heute in Steinheim stolz darauf sein, dass trotz einiger Bedenken, dieser Altar die Zeiten überlebt hat und heute eines unserer wichtigsten, oder wenn nicht sogar das wichtigste Kunstwerk der ganzen Region ist.

Bilder  📷 

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