Hermann Tulichius (Tuleke)
Tulichius wurde 1486 als Sohn einer wohlhabenden Steinheimer Familie geboren. Vater und Großvater waren Bürgermeister und Ratsherren, sie waren eine ratsfähige Familie, wie man das damals nannte.
Nach dem Besuch der Lateinschule in Steinheim und der Domschule in Münster sind wir nur ungenau über seinen Weg informiert, jedenfalls ließ er sich 1508 als Hermann Tulken aus Steinheim an der Universität Wittenberg einschreiben gleichzeitig mit dem zwei Jahre älteren Martin Luther. In der Kleinstadt kannten sich die beiden bereits, ob sie schon befreundet waren wissen wir nicht. Tulichius ging weiter nach Leipzig und kehrte 1519 nach Wittenberg zurück. Um leben zu können trat er - wie in Leipzig - als Mitarbeiter in die Druckerei Melchior Lotter Junior als Korrektor ein. 1520 wurde er zum Magister promoviert und zwei Jahre später zum ordentlichen Professor der artistischen Fakultät berufen.
Bei Lotter bereitete er neben anderen Schriften auch die Schriften Martin Luthers für den Druck vor. Martin Luther war von seiner Arbeit so angetan, dass er ihm seine Reformationsschrift „Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche “ widmete. Sowohl die lateinische wie auch die deutsche Ausgabe beginnen auf der ersten Seite mit dem Satz: „Martin Luther der Augustiner grüßt seinen Hermann Tulichius “. Das war die damals übliche Freundschaftsformel.
Auch Philipp Melanchthon, der ein Jahr vor Tulichius an die Universität gekommen war, widmete ihm handschriftlich ein Exemplar seiner Übersetzung von Plutarchs „Servi convivalis prirnus“ mit den Worten: „Wenn jener Sophist (Plutarch) dank seiner Kunst umsonst tafelte, was verdient dann Tulichius, der bei allen Gelagen das große Wort führt? Er bekommt diesen Leitfaden fürs philosophieren beim Bier“.
Von der Professur allein konnte Tulichius noch nicht leben, so wählte man ihn zum Stiftsherren des Allerheiligenstifts und damit hatte er wirtschaftlich ausgesorgt. Aber mit der Stelle war die Pflicht zur Priesterweihe verbunden, und die lehnte er aus lutherischer Überzeugung ab. Damit verlor er nicht nur die Stiftsherrenstelle, sondern auch seine wirtschaftliche Existenz. Das erregte damals großes Aufsehen.
Um Leben zu können ging er nach Eisleben und leitete dort zusammen mit Agricola die Lateinschule. Daneben entwickelte er einen Lehrplan für die Schule, den ersten einer evangelische Schule überhaupt, der ihn als „Legis Tulichianae“ berühmt machte. Für Melanchthon bildete dieser die Grundlage für dessen 1528 in ganz Sachsen verbindlich eingeführte Schulordnung.
1525 kehrte Tulichius nach einem Jahr nach Wittenberg zurück und wurde noch im gleichen Jahr zum Rektor der Universität gewählt. 1532 berief man ihn dann als Superintendent an das Johanneum in Lüneburg. Dort ist er am 28. Juli 1540 gestorben.