Geschichte der Stadt Steinheim
Die Siedlungsgeschichte Steinheims lässt sich an Hand von archäologischen Funden bis in die Zeit des Neandertalers vor mehr als 40.000 Jahren zurückverfolgen. Am Ende der letzten Eiszeit vor 14.000 Jahren lebten hier schon die Mammutjäger der „Federmesserkultur“, die mit Abschmelzen der Eismassen als Nomaden nach Norden zogen. Um 6.000 v. Chr. wurden die Menschen hier sesshaft, aus Sammlern und Jägern wurden Ackerbauern und Viehzüchter, die auf den fruchtbaren Bördeboden gute Voraussetzungen fanden.
Steinheimer Börde
Bedingt durch die fruchtbaren Bodenverhältnisse in der Steinheimer Börde stand die Landwirtschaft früh in großer Blüte. Die Bauern gründeten 1583 ein Acker- und Hausleuteamt. Aber auch Handwerk und Handel waren reichlich vertreten. Handwerker und Kaufleute waren in zahlreichen Gilden zusammengefasst.
Am westlichen Rand der Steinheimer Börde, in den Ausläufern des Eggegebirges, liegt Deutschlands nördlichster Vulkan.
Ein weithin sichtbares Wahrzeichen der Steinheimer Börde ist der Stoppelberg bei Rolfzen. Auf seiner Spitze gründeten die Grafen von Schwalenberg im 13. Jahrhundert eine befestigte Stadt, die bereits im 14. Jahrhundert wieder unterging. Sie existierte als umwallte, zweitorige Stadtburganlage, bei der die Wohnhäuser beidseitig der einzigen Straße angeordnet waren. Diese Siedlungsform war typisch für die damalige Zeit.
Stadtrechte
Eine vom Paderborner Bischof Simon I. ausgestellte Urkunde hält die Erhebung Steinheims zur Stadt fest: „Wir Symon von Gottes Gnaden Bischof von Paderborn, entbieten allen, die dieses sehen werden, Gruß vom Erlöser“ und weiter „Laßt uns das Dorf Steinheim befestigen und in eine Stadt umwandeln, dort wollen wir die Bewohner befreien, daß sie sich des Rechts erfreuen und es nutzen“. Mit der Stadterhebung gehörte Steinheim zu dem in dieser Zeit neu entstandenen Typus von Kleinst- oder Zwergstädten, welche aus geo-politischen Eigeninteressen ihrer Landesherrn gegründet wurden. Wie viele Einwohner Steinheim im Jahre 1275 hatte, wissen wir nicht, Schätzungen von Historikern gehen von etwa 500 Menschen aus, die nötig gewesen wären, um ihre Stadt im Notfall auch zu verteidigen. Eine große Stadt ist Steinheim aber nie geworden, denn um 1800 hatte sie mit 1.200 Einwohnern ihre um 1275 geschätzte Einwohnerzahl im Verlaufe von 525 Jahren nur unwesentlich vergrößert. Im Grunde genommen unterschieden sich die damaligen Bewohner Steinheims nicht von den Bauern der umliegenden Dörfer. Fast alle betrieben Landwirtschaft und lebten überwiegend vom Ackerbau, weshalb die Stadt - wie viele andere Städte gleicher Art - auch als „Ackerbürgerstadt“ bezeichnet wurde.
Nur eines hatte sich tatsächlich grundlegend geändert, nämlich ihr rechtlicher Status. Die Einwohner mußten von nun an keinen Frondienst mehr leisten, denn sie waren jetzt freie Bürger und keine vom Landesherrn abhängige Bauern mehr, worauf sich auch der seit dem Mittelalter überlieferte Satz „Stadtluft macht frei“ bezieht. In späteren Zeiten erlangte aber nicht jeder, der nach Steinheim zog, automatisch den Bürgerstatus. Die Niederlassung mußte beim Rat beantragt werden, wobei die Bewerber den Nachweis der ehelichen Geburt, einen Taufschein sowie vor allem ein gutes Leumundszeugnis vorzulegen hatten. Erst nach Zahlung von 35 Reichstalern und nach Leistung des Bürgereides wurde der Bewerber als Neubürger aufgenommen. Eng verbunden mit dem neuen Bürgerstatus war das Besitz- und Erbrecht sowie das Recht auf Weitergabe des Erbes.
Nun wüßten wir gerne genau, was neben der Befreiung die Steinheimer für Rechte und Privilegien durch die Stadtrechtverleihung 1275 genießen konnten. Leider verweist die Urkunde nur pauschal darauf, daß Steinheim dieselben Rechte bekäme wie die vom Vorgänger des Bischofs verliehenen Stadtrechte an Nieheim. Zu unserem Leidwesen ist die Nieheimer Stadtrechturkunde nicht erhalten geblieben; aus späteren Nieheimer Zeugnissen lassen sich die Rechte gleichwohl ungefähr rekonstruieren. Da ist zunächst das auch in der Steinheimer Urkunde genannte Recht - aber auch die Pflicht - zur Befestigung, das heißt, den Ort mit einer Stadtmauer zu umgeben. Diese Ummauerung ist bis heute im Stadtgrundriß und in den Straßennamen präsent, insbesondere ist auf der ersten Stadtkarte Steinheims, dem sog. Urkataster von 1829, die ursprüngliche mittelal-terliche Anlage der Stadt mit der Stadtmauer noch gut zu erkennen. Drei mit Toren versehene Hauptstraßen führten zum Stadtmittelpunkt, dem Marktplatz mit Rathaus und zur Kirche mit dazugehörigem Bestattungsplatz. Alte Stadtansichten zeigen, daß die Stadttore noch mit Türmen versehen waren. Eine solche Befestigung konnte die Einwohner gut vor plündernden Soldaten und Räuberbanden schützen, bedurfte hingegen auch der ständigen Wartung. Schon im 18. Jahrhundert war die Mauer recht baufällig geworden, und die Bereitschaft der Einwohner, die hohen Instandhaltungskosten zu bezahlen, war eher gering. So berichtet der Steinheimer Stadtschreiber und Historiker Johan Conrad Pyrach, daß am 17. August 1771 ein Turm beim Windtor „bei heiterem und klaren Wetter mit großem Geraßel plötzlich eingestürtzet sei“, und auch der Rent-meister beklagt 1786, dass Teile der Stadtmauer in seinen Garten gefallen seien, die Stadt aber die Reparatur verweigere. Darüber hinaus benutzten die Steinheimer Bürger die Mauer hin und wieder als Steinbruch. Heute sind nur noch kleinere Abschnitte der alten Stadtmauer erhalten, die sich von der Detmolder Straße entlang der Straße Hinter der Mauer ziehen.
Zu den weiteren Privilegien der Stadt gehörten eine Selbstverwaltung mit freier Wahl des Rates und des Bürgermeisters sowie das Recht zur Führung eines eigenen Stadtsiegels. Bereits drei Jahre nach der Erhebung zur Stadt gab es einen funktionierenden Rat mit Siegelhoheit, wie eine vom damaligen Steinheimer Bürgermeister Eckberg im Jahr 1278 ausgestellte Urkunde dokumentiert. Das uns erst in einem späteren Abdruck erhaltene Siegel aus dem Jahr 1486 zeigt ein Stück der Stadtmauer und drei, mit Türmen versehene Tore sowie die Inschrift „Siegel der Bürger in Steinheim“. Aus diesem Siegel entwickelte sich das heutige, leicht abgewandelte Steinheimer Stadtwappen. Wie genau die Wahl zum Stadtrat im Mittelalter von statten ging wissen wir nicht. Wie diese vielleicht ausgesehen haben mag, beschreibt die Stadtchronik aus späterer Zeit, wobei sie ausdrücklich auf eine jahrhundertealte Tradition Bezug nimmt: „Es wurde nach Lichtmessen jeden Jahres des Nachts um 12 Uhr der bestehende Stadtrath versammelt, welcher sodann aus der Bürgerei 10 Churgenossen(Wahlmänner) erwählte. Diese wurden auf das Rathaus eingeladen und wenn ihnen der Zweck, warum solches geschehen, bekannt war, eingeschlossen und von ihnen der sämtliche Rat erwählt“. Es fand also keine Direktwahl statt, sondern der Rat wurde durch Wahlmänner bestimmt. Warum diese jedoch ausgerechnet um Mitternacht im Rathaus eingeschlossen werden mußten, erschließt sich uns heute nicht unmittelbar.
Weiterhin hatte die Stadt nun das Recht, Zünfte und Bruderschaften zu genehmigen. Waren Ackerbau und Viehzucht die Lebensgrundlage der meisten Steinheimer, so gab es dennoch eine kleine Schicht von Handwerkern, welche Waren und Dienstleistungen für den täglichen Gebrauch produzierten wie Bäcker, Schuster, Schneider, Schmiede, Tischer, Zimmerleute usw. Schon früh schlossen sich diese Handwerker zu Gilden bzw. Zünften zusammen, die Merkmal einer mittelalterlichen städtischen Gesellschaft waren. Den Anfang machte die Gilde der Schuhmacher (1560), es folgte die Gilde der Acker- und Hausleute (1583), die der Schneider (1585), die der Leineweber (1585) sowie die der Schmiede, Kupferschläger und Messermacher (1596). Der Gildebrief der Acker- und Hausleute von 1583 ist noch im Original erhalten und wird im Stadtarchiv verwahrt.
Ein weiteres Stadtprivileg war das Marktrecht, was bedeutete, Handelsmärkte nach eigenen Handelsgewohnheiten einzurichten. Auf dem kleinen lokalen Markt konnten dementsprechend Güter frei gehandelt werden; weiterhin durfte die Stadt von allen Händlern, die mit Waren oder Vieh in die Stadt kamen oder diese durchzogen, ein Wegegeld kassieren. Eng damit verbunden war das Zollrecht, welches der Stadt erlaubte, Zölle auf auswärtige Handelswaren zu erheben.
Ein wichtiges neues Recht war die lokale Gerichtsbarkeit. Der Steinheimer Rat besaß nun die niedere Strafgerichtsbarkeit, und der vom Bischof aus der Steinheimer Bürgerschaft bestimmte Richter konnte eigenständig über Diebstahl, Wald- und Feldfrevel, Verleumdung, Ruhestörung, Schlägereien usw. verhandeln, Recht sprechen und Strafen festsetzen. Einzig das Verhängen der Todesstrafe war dem Bischof vorbehalten. Im Verlaufe der Jahrhunderte kamen weitere Rechte hinzu wie etwa das der Brau- oder Krug-Gerechtigkeit, das Bürgermeister Vahle 1875 in der Stadtchronik erwähnt und das der Stadt jährlich immerhin 300 Reichstaler einbrachte.
Die auf Mittellatein abgefaßte originale Urkunde der Stadtrechtverleihung befindet sich heute im Landesarchiv NRW, Münster. Über Jahrhunderte hinweg war die Kenntnis um diese Urkunde und damit um das Datum der Stadtrechte-Verleihung hingegen verloren gegangen. So schrieb Bürgermeister Philipp Vahle 1831 in der Steinheimer Stadtchronik: „Welcher Landesfürst aber der Stadt Steinheim städtische Freiheiten verliehen und das Recht dieselben mit Mauern einzuschließen ertheilt hat, kann ebensowenig als der Name desjenigen, wer zuerst die Burg Steini erbauet hat, angegeben werden“ und weiter im Jahre 1875, in dem Steinheim nach einer Volkszählung 2.267 Einwohner hatte: „In welchem Jahr die Stadt die Freiheiten und Gerechtigkeiten verliehen sind, ist nicht bekannt, indessen hat sich die Stadt seit ältester Zeit folgender erfreut“, worauf eine Auflistung dieser Rechte folgt.
Text der Urkunde
"Wir, Simon, von Gottes Gnaden Bischof von Paderborn, entbieten allen, die dieses sehen werden, Gruß vom Erlöser [...] da wir mit Rat der Ministerialen unserer Kirche und unserer Freunde, Nutzen, Vorteil, und Ehre ins Auge fassend, das Dorf Steinheim befestigen und zur Stadt einrichten, so befreien wir die dortigen Bewohner und wollen, dass sie sich allen Rechte erfreuen und genießen, womit unser ehrwürdiger Onkel und Vorgänger, Herr Bernhard, Bischof von Paderborn, frommen Andenkens, das Dorf Nieheim, als er daraus eine Stadt machte, befreit und erfreut hat und welches wir nachher bestätigen und mit unserem Siegel versehen haben.
Damit dies von niemanden bezweifelt wird, sondern fest und beständigbleibe bei allen, haben wir unser Siegel an dieses Schreiben gehangen. Auch wir Probst, Dechand und Kapitel zu Paderborn bekräftigen zum Zeichen unserer Einwilligung und Genehmigung das gegenwärtige Schreiben durch anhängen unseres Siegels.
Geschehen zu Steinheim in Gegenwart Arnolds, unseres Truchsessen, genannt Scarpen, des Ritters Werner, Hermann und Bernhard von Brakel, Ulrich, Bertold des Älteren und Bertold des Jüngeren, genannt Sumerkalf, Rudolf von Steinfurt, Herbold von Amelungessen, Friedrich von Ymessen, Helia von Assen, der Knappen Arnold, Sohn unseres Truchsessen, Bernhard von Asseburg, unseres Kämmerers Johann und unseres Notars Hermann, Vikars zu Steinheim.
Gegeben zu Paderborn im Jahre des Herrn 1275 am Tage nach Mariä Reinigung."
(Übersetzt von Josef Menze)
Die Burg Steini
Zwischen 1275 und 1280 wurde Steinheim durch eine Stadtmauer befestigt. Auch der etwas südlich gelegene fürstbischöfliche Holthof erhielt eine eigene Befestigung und wurde dann Schloß Steinheim genannt.
Am 01.03.1325 verpfändete Bischof Bernhard V., Edler Herr zur Lippe, die Stadt Steinheim an den Ritter Heinrich de Wendt aus Lemgo. Dabei wurde vereinbart, dass dieser für 100 Mark aus dem Schloß Steinheim eine Burg bauen sollte. Die Kosten teilte sich Ritter de Wendt und der Fürstbischof. Der Besitz an der Burg wechselte mehrfach, war aber ab 1399 überwiegend im Besitz der Familie von Oeynhausen. Im Jahr 1560 starb die Steinheimer Linie der Familie de Wendt aus. Der Name lebt aber weiter in der Ortsbezeichnung "Windtor" an der Ecke Detmolder Straße/Sedanstraße.
Aus einem erhalten gebliebenen Brief aus dem Jahr 1655 ist bekannt, dass in Steinheim zweimal die Schweden, Obrist Carl Gustav Wrangel und Obrist Hans Christoph von Königsmarck, in Steinheim plünderten und brandschatzten. Weiterhin haben die Franzosen einmal Steinheim geplündert. Bei allen drei Plünderungen verlor der Briefeschreiber sein Haus, das vierte Haus brannte ihm dann kurze Zeit später in einer Feuersbrunst ab, die vom Nachbarhaus ausging. Wahrscheinlich wurde die Burg Steini im Jahr 1639 bei der Plünderung durch die Schweden zerstört.
Nur ein Turm war erhalten geblieben, der noch als Stadtgefängnis genutzt wurde. Im Jahr 1771 stürzte dieser von selbst ein.
Christianisierung
Um 20 n.Chr. drangen sächsische Stämme aus dem nördlichen Deutschland in das heimische Gebiet ein und nahmen es in Besitz. Der Frankenkönig Karl der Große betrieb knapp 200 Jahre später die Christianisierung und durchsetzte das Land mit fränkischen Neusiedlern. Steinheim war eine der Urzellen der von Würzburg ausgehenden Mission.
Bis zur Säkularisation 1802 gehörte Steinheim dem Hochstift Paderborn an. Nach dem Wiener Kongress fiel die Stadt endgültig an Preußen, nachdem sie von 1806 bis 1813 dem von Napoleon gegründeten Königreich Westfalen zugeordnet war. Seit dem Ende des 2. Weltkrieges gehört Steinheim zum Land Nordrhein-Westfalen.
Steinheim wird zum ersten Mal um 970 in den Güterschenkungen des Klosters Corvey erwähnt. Die heutige Katholische Pfarrkirche geht auf das Jahr 1160 zurück. Sie ist das historisch wertvollste Bauwerk der Stadt mit einem kostbaren Hochaltar aus dem 16. Jahrhundert. Die Stadt Steinheim, im Mittelalter besonders in kirchlicher Hinsicht bedeutsam, wurde 1273 Archidiakonatssitz, zu dem im 15. Jahrhundert über 30 Kirchen gehörten. 1275 wurden Steinheim durch den Fürstbischof von Paderborn die Stadtrechte verliehen.
Feuersbrünste und Epedemien
Im Mittelalter wurde die Stadt von schweren Schicksalen, von verheerenden Feuersbrünsten und Pestepidemien heimgesucht.
Die Pest wütete in Steinheim 1349, 1541, 1618 und zuletzt 1636/37. 1618 starben 375 Einwohner an der Pest. Und 1636/1637 kamen nachweislich 230 Menschen durch diese Seuche ums Leben. Medizinische Mittel dagegen gab es damals nicht. Nach dem Erlöschen der Pestepidemie wählte der Rat der Stadt den als Pestheiligen verehrten heiligen Rochus zum Stadtpatron. Die Stadtväter legten damals ein Gelübde ab, seinen Geburtstag, den 16. August, würdig zu begehen und die Armen der Stadt mit Brot zu speisen. Dieses Rochusgelübde wurde 1971 in zeitgemäßer Form erneuert. Steinheim übernahm die Patenschaft der Krankenstation von Kalemie im Kongo. Am 16. August eines jeden Jahres wird daher zu Ehren des Stadtpatrons St. Rochus und in Gedenken an das Gelübde von 1637 eine Spendensammlung durchgeführt.
1580 brannte ein Großteil der Stadt nieder, auch der Kirchturm wurde ein Opfer der Flammen. An Heiligabend im Jahr 1694 brennen 30 Häuser nieder.
Im Jahr 1729 geschah der "Generalfeuerbrunst zu Steinheim". Nur die Kirche, der Marienmünstersche Kornspeicher, der Pohlhof, 8 Häuser am Windtor, der dort gelegene Paderborner Kornspeicher und ein Haus am Niederen Tor blieben stehen.
1790 starben 4 Personen, darunter auch 2 Kinder bei einem Brand im Bereich Marktstraße und obere Rochusstraße. Insgesamt 44 Häuser fielen dem Feuer zum Opfer.
Die Reformation
In der Reformationszeit wandte sich die Stadt sehr früh dem neuen Glauben zu. Man muss annehmen, dass sich hier der Einfluss des aus Steinheim gebürtigen Gelehrten Hermann Tulichius auswirkte. Als enger Mitarbeiter Luthers bereitete er dessen Schriften für den Druck vor. Als Dank für seine gute Arbeit widmete ihm Luther seine große Reformationsschrift „Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche“. Für Philipp Melanchton war er bei dessen Aufbau eines allgemeinen Schulwesens tätig. Dieser widmete ihm seine Plutarchausgabe.
Ein Jahr nach seinem Tod wurde der bedeutende frühneuzeitliche Historiker Reiner Reineccius (Reineke) am 15. Mai 1541 in Steinheim geboren. Als Professor wirkte er in Wittenberg, Frankfurt an der Oder und schließlich an der Universität Helmstedt. Im Auftrag des Herzogs Julius von Braunschweig war er von Lehrverpflichtungen befreit und konnte sich ganz der Forschung widmen. In seinem viel gelesenen Buch „Methodus legendi“ erläuterte er die Gesetze und Methoden der Geschichtsschreibung. Eine auf vier Bände angelegte Weltgeschichte blieb unvollendet. Nach einem unglücklichen Sturz starb Reineccius am 16. April 1595 in Helmstedt. Seit 2008 verleiht die Stadt Steinheim die Reineccius-Medaille für Querdenker und Pioniere in Anlehnung und zur Erinnerung an „Reiner Reinecius – Der Steinheimer“.
Zurzeit des Reineccius waren bis auf den Pfarrer und etwa zwanzig Einwohner alle Steinheimer evangelisch. Das änderte sich erst mit der Gegenreformation. Als 1598 der evangelische Kaplan verstarb, verbot der Paderborner Erzbischofs Dietrich von Fürstenberg die Einsetzung eines neuen Kaplan. Zunächst wehrten sich die Steinheimer und gingen noch 1604 ein Bündnis mit dem Landgrafen von Hessen gegen den Paderborner Landesherren ein. Vier Jahre später mussten sie dafür an den Bischof eine hohe Strafe zahlen und ihm Gehorsam versprechen.
Steinheimer Möbel
150 Jahre lang prägte die Möbelindustrie das Arbeiten und Leben in Steinheim. Den Aufschwung nahm die Möbelindustrie 1864 mit einem Offiziersstuhl. Vor allem junge Offiziere der preußischen Reiterregimente in Schloß Neuhaus, Neuss am Rhein und Münster kauften bei Louis Emmerich in Steinheim ihre Pferde. Dieser war mit dem Tischlermeister Anton Spilker gut befreundet. Daraus ergab sich, dass ein Offizier der 8. Husaren aus Schloß Neuhaus während eines Aufenthaltes in Steinheim einen Offiziersstuhl mit eingeschnitzten Familienwappen bestellte. Auf Grund der hohen künstlerischen Qualität der Schnitzereien wollten auch andere Offiziere einen Stuhl aus Steinheim haben. In der Folge erhielt er Aufträge für die Ausstattung von Offizierscasinos in Schloß Neuhaus, Allenstein und Leobschütz. Es folgten private Aufträge von adligen Familien und Industriellen für die Einrichtung derer Villen. Auch Kirchenausstattungen wurden gefertigt.
So wurde Steinheim für die qualitativ hochwertigen und kunstvoll geschnitzten Möbel im Stil des „Historismus“, später auch im Stil der „Kirchenrenaissance“ bekannt. Der ausgezeichnete Ruf der Steinheimer Kunsttischlerei verbreitete sich aber auch international. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Möbel nach Russland, Frankreich, England und Argentinien geliefert. Die 11 Möbelfabriken und 18 Möbelwerkstätten, die es dann bereits 1930 in Steinheim gab, gingen fast alle auf ehemalige Lehrlinge des Kunsttischlers Anton Spilker zurück.
Ende der 1970er Jahre begann allmählich der Untergang der Steinheimer Möbelfabriken. Die bisher gefertigten hochwertigen Stilmöbel fanden immer weniger Käufer. Diese bevorzugten einfachere und schlichtere Möbel für eine kürzere Nutzungsdauer. Auch die Umstellung auf Bio-Möbel, bei denen gänzlich auf den Einsatz von Chemikalien bei der Oberflächenbehandlung verzichtet wurde, konnte den Niedergang der Steinheimer Möbelindustrie nur verzögern. Ende 2007 schloss die letzte traditionelle Steinheimer Möbelfabrik ihre Türen.